Zur Person: Kai Pfaffenbach ist einer der renommiertesten Sportfotografen Deutschlands. Er stammt aus Hanau und arbeitet seit 1996 für die internationale Nachrichtenagentur Reuters.
Die aktuelle Europameisterschaft in Frankreich ist bereits seine fünfte, dazu kommen fünf Weltmeisterschaften.
Seit Beginn der EM ist Pfaffenbach für Reuters in ganz Frankreich im Einsatz.
Kai, wir erwischen Sie im Auto. Wie geht es Ihnen nach gut drei Wochen EM in Frankreich?
Das Hin- und Herfahren ist schon anstrengend. Bislang habe ich Spiele in sieben Stadien fotografiert. Ich war in den zwei Pariser Stadien, in Saint Étienne, Marseille, Bordeaux, Lyon und Nizza.
Abgesehen davon geht es mir aber sehr gut, arbeitstechnisch funktioniert alles reibungslos.
Da wir bislang immer mindestens vier Reuters-Fotografen in den Stadien waren, ist Teamarbeit das A und O: Wer konzentriert sich auf welche Szenen? Wer übernimmt zum Beispiel den Freistoßschützen, wer den Torwart?
Das klappt bislang hervorragend.
Was mich allerdings stört: Wir müssen vier bis fünf Stunden vorher im Stadion sein.
Was macht man in dieser langen Zeit?
Man schlägt die Zeit tot: Man geht in die Presseräume, trinkt noch einen Kaffee, auch die Technik überprüft man noch einmal zur Sicherheit.
Sie sind schon lange im Geschäft. Erkennt Sie auch mal ein Spieler, wenn die Teams zum Warmmachen den Platz betreten?
Manche Spieler kennen einen natürlich. Generell sind die aber schon sehr konzentriert, wenn sie zum Warmmachen herauskommen. Ich habe ja dann auch meinen Job zu erledigen. Aber ab und an gibt es dann tatsächlich ein Lächeln mit einem Hallo.
Aber gerade beim deutschen Team ist es mittlerweile so professionalisiert und abgeschottet, da ist alles haarklein durchgeplant. Da bleibt teilweise einfach keine Zeit für eine kleine Unterhaltung…
Können Sie bei Ihrer Arbeit eigentlich selbst Fan bleiben?
Emotional bin ich nicht mehr so nah dran wie früher. Sicher, ich freue mich, wenn unser Team erfolgreich ist. Ich musste mich allerdings etwas davon loslösen, da ich während der Spiele voll konzentriert sein muss. Da bleibt keine Zeit für Fanemotionen.
Was ist Ihr bisheriges Highlight der EM?
Fotografisch gesehen bin ich auf mein Foto von Xherdan Shaqiris Tor gegen Polen schon ein bisschen stolz (Shaqiri erzielte per Seitfallzieher das 1:1 im Achtelfinale gegen Polen, Anm. d. Red.). Das ist sicherlich das bislang schönste Tor der EM. Für mich war es nicht leicht, dieses Foto sauber zu schießen. Dass es jetzt so um die Welt gegangen ist, ist für mich eine tolle Sache.
Ansonsten war die Bouillabaisse in Marseille unglaublich (lacht). Das war die beste die ich jemals gegessen habe.
Wie nehmen Sie die Stimmung im Land wahr?
In Paris ist es im Vergleich ein wenig gedämpft, weil es zum Beispiel vor den Kneipen kein Public Viewing vor Kneipen und Bars geben darf. Das ist vor den Hintergründen absolut verständlich.
Ansonsten ist die Stimmung aber sehr gelöst.
Als wir in Lyon waren, haben sich die Belgier und Italiener verbrüdert und zusammen gesungen und getrunken.
Die Arbeitsbedingungen sind perfekt – bis auf das Catering in den Presseräumen der Stadien (lacht).
Welches Stadion hat Ihnen am besten gefallen?
Das Stade de France ist schon sehr beeindruckend, aber ich mag eher kleine, kompakte Stadien.
Die Stadien in Marseille und Nizza direkt an der Küste haben sehr viel Flair.
Aber im Endeffekt kommt es auf die Fans an. Wenn zum Beispiel fast das ganze Stadion die Marseillaise singt, dann bekommt man einfach Gänsehaut.
Wie nehmen Sie die Isländer, die heimlichen Stars der EM, wahr?
Hier muss ich zunächst eine Lanze für die englischen Fans brechen: Trotz ihrer Riesenenttäuschung nach der Niederlage im Achtelfinale gegen Island haben sie wie Gentlemen reagiert und haben die Isländer beklatscht.
Aber keine Frage: Wenn die Isländer zusammen mit den Fans den Gesang zelebrieren, ist das schon der Wahnsinn.
Aber auch die Waliser und die Iren waren unglaublich kreativ und fair.
Fühlen Sie sich sicher?
Ja, ich fühle mich sicher! Die Menschen hier geben ihr Bestes. Aber generell hat man einfach keinen Einfluss auf das Schicksal. Ich war in diesem Jahr zum Beispiel schon dreimal am Istanbuler Flughafen. Machen wir uns nichts vor, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist, helfen alle Vorkehrungen nichts.
In Paris ist während des Spiels Deutschland gegen Polen ein Kanonenschlag explodiert. Was haben Sie in diesem Moment gedacht?
Ich habe es zum Glück recht schnell als Böller erkennen können, deshalb hat mich das nicht erschreckt. Aber im Allgemeinen hat es mich erstaunt, wie viel Böller und Bengalische Feuer mit in die Stadien geschmuggelt werden konnten. Denn wenn man die mit reinschmuggeln kann, geht das sicherlich auch mit schlimmeren Dingen.
Wie schneidet die Nationalmannschaft Ihrer Meinung nach ab?
Ich bin optimistisch, dass wir jetzt Frankreich schlagen und dann auch Europameister werden. Ich hatte schon vorausgesagt, dass wir Italien besiegen (lacht). Ich gehe davon aus, dass Thomas Müller endlich noch sein Tor macht. Die Verantwortlichen um Jogi Löw haben gute Lehren aus dem etwas holprigen Start gezogen. Wir sind meiner Meinung nach das flexibelste Team.